Austerlitz by W.G. Sebald

Austerlitz by W.G. Sebald

Autor:W.G. Sebald [Sebald, W.G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-02-26T05:00:00+00:00


Man betritt ihn durch eine enge, in das Hauptportal eingelassene Tür und befindet sich zunächst in einem dämmrigen Tonnengewölbe,

durch das früher einmal die Kutschen und Kaleschen hineinrollten in den von einer verglasten Kuppel überwölbten, wenigstens zwanzig mal fünfzig Meter messenden inneren Hof, der auf drei Stockwerken umgeben ist von einer Galerie, über die man Zugang hat zu den Kanzleikammern, durch deren Fenster der Blick hinabgeht auf die Gasse, so daß also das ganze, von außen am ehesten einem Stadtpalais gleichende Gebäude gebildet wird von vier nicht viel mehr als drei Meter tiefen, um den Hofraum herum in gleichsam illusionistischer Manier aufgeführten Flügeln, in welchen es keine Korridore und Gänge gibt, ähnlich wie man es kennt aus der Gefängnisarchitektur der bürgerlichen Epoche, in der sich das Muster der um einen rechtwinkligen oder runden Hof gebauten, an der Innenseite mit Laufstegen versehenen Zellentrakte als das für den Strafvollzug günstigste durchgesetzt hat. Aber nicht nur an ein Gefängnis erinnerte mich der Innenhof des Archivs in der Karmelitska, sagte Austerlitz, sondern auch an ein Kloster, an eine Reitschule, ein Operntheater und an ein Irrenhaus, und all diese Vorstellungen gingen in mir durcheinander, während ich in das aus der Höhe herabsinkende Zwielicht hineinschaute und durch es hindurch auf den Galerierängen eine dichtgedrängte Menschenmenge zu sehen glaubte, in welcher einige die Hüte schwenkten oder mit dem Taschentuch winkten, so wie einstmals die Passagiere an Bord eines auslaufenden Dampfers. Jedenfalls dauerte es eine gewisse Zeit, bis ich wieder einigermaßen bei mir war und mich zu dem Schalter neben dem Eingang zurückwandte, von dem aus der Portier mich im Auge behalten hatte, seit ich über die Schwelle getreten und, von dem Licht des Innenhofs angezogen, achtlos an ihm vorübergegangen war. Man mußte sich weit hinabbeugen zu dem viel zu niedrigen Schalter, wenn man mit dem Türhüter sprechen wollte, der allem Anschein nach in seinem Verschlag auf dem Fußboden kniete. Obzwar ich meinerseits bald dieselbe Stellung einnahm, gelang es mir auf keine Weise, mich verständlich zu machen, sagte Austerlitz, weshalb auch der Türhüter schließlich mit einer langen Suada, aus der ich nichts als die mehrmals mit besonderem Nachdruck wiederholten Worte anglický und Anglican heraushörte, aus dem Inneren des Gebäudes eine der Archivangestellten herbeitelephonierte, die tatsächlich gleich darauf, noch während ich auf dem Pult neben der Loge eines der Besucherformulare ausfüllte, wie aus dem Boden gewachsen, wie man sagt, sagte Austerlitz, neben mir stand.



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